Immer wieder kommt Erick Gersdorf die Frage zu Ohren: „Was? In Arnstorf gibt’s einen Billardclub?“ Ihm bleibt dann nur ein Kopfschütteln übrig. Klar gibt’s einen – und zwar schon seit 1989. Sprich – heuer werden es 33 Jahre, die der 1. Pool Billard Club Arnstorf e.V. zählt und seit immerhin 1993 existiert eine eigene Homepage. Einen Monat nach Vereinsgründung wurde auch Erick Gersdorf Mitglied des Vereins. Nach 25 Jahren als Vorstand sowie einer kurzen, freiwilligen Vorstandspause ist er nun wieder als 1. Vorstand für den Verein tätig.
Er erinnert sich an die Anfänge, als sie im einstigen Pool Pub an zwei Tischen gespielt haben, als das Pub dann die Pforten schloss und sie erst mal ohne Vereinsheim dastanden. Ein Jahr lang haben sie bei den Eggenfeldenern gespielt, bevor sie beim Metzgerwirt in Mariakirchen eine neue Bleibe fanden. „Das war was,“ erinnert sich Erick. „Wir mussten erstmal eigene Tische finden und auch kaufen. Unvergesslich bleibt der Abtransport der dreiteiligen Schieferplatten je Tisch, – eine wiegt etwa 120 Kilo – die eine enge Wendeltreppe runtergetragen werden musste.“ Die Situation in Mariakirchen war langfristig nicht ganz befriedigend, da der Wirt bei Tanzveranstaltungen die Tische immer beiseite schieben musste. „Nicht gut. Billardtische soll man grundsätzlich nicht bewegen,“ wirft Alfred Hart ein, der neue zweite Vorstand und einstige Sport- und Jugendwart, der auch schon seit 1998 mit dabei ist.
Seit 2011 in der Lehmhäuserstraße
Also ging die Reise retour nach Arnstorf, diesmal zum „Wirt am Berg“, wo sich auch irgendwann während 17 Jahren herausstellte, dass dies doch keine Dauerlösung sein konnte. „Wir hatten zwar einen eigenen Raum, der aber für unsere Weiterentwicklung nicht gut war,“ fasst Erick Gersdorf diplomatisch zusammen. Ein Glück, dass sich nach vielen Besichtigungen die Lehmhäuserstraße 20 hervortat: Seit 2011 ist der Club hier ansässig und möchte auch nicht mehr raus, was den zufriedenen Blicken und der bestens ausgestatteten Räumlichkeiten anzusehen ist.
Nach dem Ok des Vermieters renovierten die Vereinsmitglieder das neue Vereinsheim, so dass es passte. Dafür durften auch Wände weichen. Hier stehen heute sechs Tische, bezogen in schickem Blau. Ein großzügiger Aufenthaltsraum mit Küche eignet sich bestens für Feierlichkeiten, sofern sie denn hoffentlich bald mal wieder stattfinden können. Und im Keller steht ein stattlicher Snooker-Tisch. Hier findet sich außerdem immer mittwochs und donnerstags Helga Heller ein – sie ist freiberufliche Elementar-Musiklehrerin und Kinderpflegerin. „Spielen mit Musik“ heißt die musikalische Früherziehung ab vier Jahren, dazu gibt sie Elementar-Instrumental-Unterricht in der gemischten Gruppe, wo die Kinder im Ensemble ihr Instrument lernen. Gespielt wird also überall in der Lehmhäuserstraße…
Jeden Montag, Donnerstag und Freitag wird oben der Queue strapaziert, derzeit zählt der Club 45 Mitglieder zwischen elf und 73 Jahren. Nachdem es schon einmal eine Frauenmannschaft gab, ist derzeit keine einzige aktive Spielerin dabei. Warum das so ist, bereitet beiden Vorständen Schulterzucken. Vielleicht ändert sich diese Tatsache ja schon bald, denn festzustellen ist: „Pool ist wieder cool. Schon klar, dass Billard in Deutschland noch immer ein Randsport ist, aber jetzt werden verstärkt Spiele im Fernsehen und Internet übertragen.“
Mitmachen kann übrigens jede/jeder – „Nach dreimal Schnuppern weiß man auch, ob es taugt,“ sagt Erick. Als Mitglieder zahlen die Spielerinnen und Spieler monatlich 30 Euro. Ein günstiger Tarif, vergleicht man die Gebühren mit öffentlichen Spielgelegenheiten, die dazu rar und mit weniger guten Bedingungen daherkommen. „Wir sind fair und garantieren unseren Mitgliedern die beste Ausstattung,“ sagt Erick und schaut auf die beleuchteten Tische, die einwandfrei dastehen. Die Mitgliederzahl ist im Laufe der Jahre stets gewachsen und der Verein unternahm diverse Aktionen, um auf sich aufmerksam zu machen. Unter anderem greift Alfred Hart auf die Kleinanzeigen mit dem Angebot „kostenlose Spielstunden zu verschenken“. „Darüber haben wir immerhin drei neue Mitglieder gewinnen können,“ sagt er und lacht.
„Es ist nicht so einfach, wie es aussieht“
Aktuell hat der 1. PBC Arnstorf e.V. drei Mannschaften gemeldet. Die erste Mannschaft spielt in der Bezirksliga und hält, wie auch letztes Jahr aktuell den ersten Platz in der Liga. Samstags finden immer die Ligaspiele statt, dann sind die Arnstorfer unterwegs zu anderen Clubs und werden auch mal besucht. Freilich ist es schön, auf den obersten Rängen mitzumischen, was das Vereinsleben aber ausmacht, sind die regelmäßigen Zusammenkünfte, gerade jetzt in diesen Zeiten. Erick und Alfred kommen ins Schwärmen, wenn sie über ihren Sport reden, der sich vielleicht nicht durch die große Bewegung auszeichnet, dafür umso mehr durch Kopfarbeit. Gern zitiert Erick Gersdorf Albert Einstein, der wohl selbst nicht am Queue aktiv war, aber sich über Billard folgendermaßen äußerte: „Billard ist die hohe Kunst des Vorausdenkens. Es ist nicht nur ein Spiel, sondern in erster Linie eine anspruchsvolle Sportart, die neben physischer Kondition, das logische Denken eines Schachspielers und die ruhige Hand eines Konzertpianisten erfordert.“
Und was fasziniert die beiden persönlich am Billardspiel? „Es ist nicht so einfach, wie es aussieht. Man muss immer ein paar Kugeln vorausdenken,“ sagt Alfred Hart. Und Erick Gersdorf fügt hinzu: „Es ist eine Kunst, den Kopf auszuschalten und trotzdem konzentriert zu bleiben. Negative Gedanken und Zweifel übertragen sich sofort auf die Hand.“ Als die beiden an den Tischen stehen und Erick Gersdorf seinen Queue positioniert, kommen die Freunde ins Fachsimpeln. Der eigene Queue ist was Besonderes, kostet schon mal 400 Euro aufwärts, wird nicht gern aus der Hand gegeben und gut gepflegt. Für die neuen Modelle aus Carbon haben die beiden nichts übrig. Sie setzen auf altbewährtes Holz.
Erick Gersdorf kreidet über die lederne Spitze, bevor er sich über den Tisch beugt. Klack, die Kugel rollt, klack, stößt auf die angepeilte Kugel, die mit einem dumpfen Poltern verschwindet. Früher kopierte Erick noch ganze Bücher für seine Freunde, um sich weiterzubilden, Tricks und Kniffe rauszufinden. Und heute schaut man gepflegt YouTube-Videos. Aber immer schon kleidete man sich fein an Spieltagen, hielt das gute Miteinander hoch, war beim Spielen konzentriert bei der Sache und beim Feiern ebenso. Und immer wuchsen während der langen Zeit des Clubs Freundschaften für’s Leben.
Im Rahmen des Projekts „Ein Vereinsnetzwerk in und um Arnstorf“ des Förderprogramms “Engagiertes Land” der DSEE (Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt).