Die Reifen knirschen auf der Schotterstraße, die zum Niedermoor bei Jägerndorf führt. Die Fahrzeuge werden abgestellt, heraus steigen Katrin Veicht und Herbert Weiss mit Hündin Lilly, die sogleich schnuppernd die Umgebung erkundet. Die beiden Vorstände der Ortsgruppe Kollbachtal des BUND Naturschutz in Bayern e.V. haben als Treffpunkt bewusst das Moor im Rottal gewählt: An diesem Beispiel lässt sich zeigen, wie wichtig es ist, die Natur aktiv zu schützen. „Wäre das nicht passiert, hätten wir heute kein Moor mehr,“ sagt Katrin Veicht.
Der Weg führt am Waldrand dahin, auf der einen Seite also Wald, auf der anderen Wiesen und schließlich das Moor, das für den Laien als solches nicht auf dem ersten Blick zu erkennen ist. Bereits im Jahr 1974 hat der BUND Naturschutz die Moorfläche erworben, um diese zu pflegen und erhalten: Jährlich wird gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband gemäht. „Das ist wichtig, da sonst die typischen Niedermoorpflanzen von Erlen verdrängt werden,“ sagt Herbert Weiss. Inzwischen ist freilich alles verblüht, im späten Frühjahr blühen hier zum Beispiel gelbe Schwertlilien, Trollblumen, Knabenkraut und Moor-Greiskraut zu finden, um nur einige seltene Arten zu nennen.
Gespeist wird das Niedermoor von einer eignene Quelle und wie bei sämtlichen Gewässern und Quellen in den letzten Jahren zu beobachten ist, fließt immer weniger Wasser. „Das Moor trocknet aus,“ sagt Katrin Veicht mit Bedauern. Das zeigt die Zusammenhänge in der Natur auf – jede Veränderung hat Auswirkungen auf weitere Systeme. Katrin Veicht und Herbert Weiss sind sich einig: „Bloß nicht aufgeben.“ Denn was ist die Alternative? Klar ist es mühsam, gebetsmühlenartig erklären zu müssen, weshalb diese und jene Schritte notwendig sind, um das Große und Ganze zu erreichen, weshalb es sich lohnt, Naturschutz zu betreiben. Nein, dies sei noch längst keine Selbstverständlichkeit, auch nicht im Jahr 2022, wo Begriffe wie Klimakrise und Erderwärmung und Plastikmüll zum Alltag gehören und die junge Generation mit Fridays for Future auf die Missstände aufmerksam macht.
„Du kannst nur schützen, was Du kennst“
Warum immer noch so viel Rede- und in der Folge natürlich Handlungsbedarf besteht, dafür hat Herbert Weiss vielleicht die Erklärung: „Auf dem Land sind wir von Natur umgeben. Da entsteht der Eindruck, es sei eh alles in Ordnung, die Natur sei eh intakt, nur weil die vorherrschende Farbe draußen grün ist.“ Dazu kommt, dass das Interesse an der Natur, an den Pflanzen und Tieren, nicht sehr groß ist. „Dabei kannst du nur schützen, was du auch kennst,“ ist sich Herbert Weiss sicher. Und darum ist der Nachwuchs immens wichtig, was die Zukunft der Natur und damit auch der Menschen angeht.
Doch zunächst werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Gegründet wurde die Ortsgruppe Arnstorf, wie sie bis zum Jahr 2008 hieß, 1989. Herbert Weiß gehörte schon zur Gründungsvorstandschaft und erinnert sich an die aktive Zeit der 80er Jahre: „Damals sahen viele junge Familien die Dringlichkeit, sich für die Natur zu einzusetzen. Zum ersten Mal überhaupt war die Umwelt in der Öffentlichkeit ein politisches Thema. Die großen Themen waren damals das Waldsterben, der saure Regen und natürlich auch Atomkraft nach Tschernobyl und Wackersdorf. Nach über 30 Jahren haben wir heute mindestens so wichtige Themen, aber die Generation der 30- bis 40-Jährigen ist in der Ortsgruppe Kollbachtal kaum vertreten.“
Die Hoffnung liegt beim Nachwuchs, die Jugendgruppe steht ausgezeichnet da und die Vorstände sind sich sicher, dass zunächst jedes Kind Interesse an der Natur hat. Ab etwa 14 Jahren wechseln dann oft die Interessen, wie die Leitung der Umweltbande, Maria und Hans Watzl, feststellen können. Seit 2013 leiten sie die Jugendgruppe, die im Jahr 2005 gegründet wurde. Jeden Monat treffen sich die Kinder, um gemeinsam aktiv zu sein: Nistkästen bauen, Bäume pflanzen, auf Wanderungen Pflanzen und Tiere bestimmen, die Kollbach untersuchen – es gibt immer was zu tun. Als Höhepunkt des Jahres wird das Zeltlager bezeichnet, das die Jugendorganisation des BUND Naturschutzes in Bayern organisiert und bei dem sich gut 50 Kinder aus ganz Bayern tummeln, ganz nach dem Motto „dreckig, aber glücklich“. Herbert Weiss ist sich sicher: „Auch, wenn das Interesse mit der Pubertät temporär nachlässt, bleibt der Kontakt zur Natur bestehen, wenn ein guter Grundstock gelegt ist.“
„Die vielen Aktionen stimmen positiv“
Heute zählt die Ortsgruppe Kollbachtal gut 200 Mitglieder, davon sind aber höchstens 15 aktiv, berichten die Vorstände. Neben der Jugend engagieren sich vor allem die über 50-Jährigen. Freilich spielt da auch das Thema Zeit eine Rolle. Und natürlich das grundlegende Interesse an der Natur und an den Zusammenhängen, die uns alle betreffen. „Ohne Natur geht es nicht, wir sind ein Teil davon, wir sind abhängig von einer funktionierenden Umwelt,“ sagt Katrin Veicht und Herbert Weiss nickt: „Wir sehen viele Themen sehr kritisch. Zum Beispiel den Bauernverband, der nach wie vor konventionelle Landwirtschaft propagiert. Das ist schon lange nicht mehr sinnvoll und bald auch nicht mehr machbar. Die Lösungen sind da, werden aber nicht umgesetzt.“ Genau dieses Dilemma ist bei vielen Themen die Umwelt betreffend, zu beobachten. Schon viele Jahrzehnte sind seitens der Wissenschaft Kausalitäten bekannt, werden Prognosen abgegeben – aber Politik und Wirtschaft handeln nicht oder entgegengesetzt. „Dabei gäbe es auch viele Möglichkeiten, die auch wirtschaftlich verträglich wären,“ endet Herbert Weiss.
„Wir wollen aber nicht nur jammern,“ betonen die Vorstände einstimmig. Schließlich hat es auch gute Entwicklungen gegeben und schließlich gibt es nach wie vor Menschen, die für die Natur Einsatz zeigen. Ein gemeinsamer Plan von Umweltverbänden, Politik und Wirtschaft – das wäre es halt… An die nächste Generation soll gedacht werden. Wahrscheinlich ist es wie mit so vielen, wahrscheinlich ist es menschlich: Werden Missstände nicht unmittelbar erlebt oder als bedrohlich angesehen, empfindet der Mensch keinen Handlungsbedarf. Dabei ist vieles längst Realität, auch vor unseren Haustüren: ausgetrocknete Brunnen und Quellen, verschwundene Arten, extreme Wettersituationen.
Nun ja, da es bekanntlich nichts Gutes gibt, außer man tut es, folgt die Kreisgruppe dem Erich-Kästner-Ausspruch. Da werden Amphibienzäune aufgestellt, Hecken und Bäume gepflanzt, die Streuobstwiesen in Westerndorf und Münchsdorf gepflegt, die Wasserschule etabliert. Wasserschule? In Kooperation mit den Arnstorfer Schulen und der Gemeinde wurde 2006 eine besondere Schule gegründet, die den Schülerinnen und Schülern den Lehrplan alles andere als trocken ergänzt: Hier kann direkt erlebt werden, was hier lebt und welche Auswirkungen das Wetter auf die Kollbach hat. Mit Vorträgen und Infoständen rundet die Kreisgruppe ihr Wirken ab. „Die vielen Aktionen helfen direkt und stimmen positiv,“ sagt Katrin Veicht. Zudem wenden sich viele Bürger an die Kreisgruppe, wenn es um Konflikte geht. Die Vorständin nennt die beiden großen Themen, die aktuell von Interesse sind: die alten Linden an der Mittel- und Realschule, die angedachte Umgehungsstraße. Zudem gibt es regelmäßige Bürgermeistergespräche, bei denen die Ortsgruppe Gelegenheit hat, ihre Sicht der Dinge darzustellen und auch versucht, Ratschläge einzubringen.
Es gibt viel zu tun – einst, jetzt und in Zukunft. Das tragende Motto „bloß nicht aufgeben“ wird weiterhin bestehen bleiben. Katrin Veicht, Herbert Weiss und Hündin Lilly stellen sich zum Foto auf, am Rande des Niedermoor nahe einer großen Eiche. Dann geht es zurück zum Auto, vorbei am Kollbachtaler Moor, an den Wiesen, dem Wald. Es regnet inzwischen ein wenig, wichtig ist das für uns alle. Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung, noch so ein Satz, der mehr denn je Bedeutung hat.
Im Rahmen des Projekts „Ein Vereinsnetzwerk in und um Arnstorf“ des Förderprogramms “Engagiertes Land” der DSEE (Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt).