Im Zentrum für Familie und Senioren haben sich die eifrigen Nachbarschaftshelfer und -helferinnen bereits versammelt. Direkt am Arnstorfer Marktplatz befindet sich der Treffpunkt, wo sich die Senioren und Seniorinnen regelmäßig austauschen. Hermine Feilen hat den Überblick, teilt die Einsätze ein – seit Herbst 2014, als die Nachbarschaftshilfe gegründet wurde. Damals haben sich elf Helfer und Helferinnen freiwillig gemeldet, 2015 gab es die ersten Einsätze. Am Ende des Jahres sollte die Nachbarschaftshilfe 47 Mal in Anspruch genommen worden sein. Sieben Jahre später, im Jahr 2021 waren 23 Helfende insgesamt 274 Mal im Einsatz. Hermine Feilen hat die Zahlen parat.
Wie sieht nun die Nachbarschaftshilfe konkret aus? „Es hat sich herausgestellt, dass hauptsächlich Fahrten gewünscht sind,“ sagt Hermine Feilen. „Wir fahren überall hin. Und wir warten.“ Meist handelt es sich um Arztbesuche oder andere Termine, die Menschen ohne Auto oder Führerschein wahrnehmen wollen. Für den gefahreren Kilometer fallen 30 Cent an, die Wartezeit ist kostenlos. „Die Leute sind froh, dass es uns gibt,“ sagt Hermine Feilen und blickt anerkennend in die Runde.
Da sitzt Hans Schiebietz, der seit vier Jahren dabei ist und vollen Einsatz zeigt: „Das macht mir Spaß, gern bin ich auch kurzfristig zu haben. Man lernt neue Leute kennen, kommt ins Gespräch. Ich bin schon bis nach Regensburg gefahren, alles kein Problem.“ Und wenn er mal nicht gleich einen geeigneten Parkplatz findet, zieht er sich sein selbst gemachtes Leiberl mit der Aufschrift „60 plus“ an, setzt den Warnblinker, „dann geht das“. Oft sind Leute, die zum Arzt müssen, eben nicht mehr so gut auf den Beinen, um weite Wege zu gehen.
Josef Haberls Fahrten haben ihn schon durch den ganzen Landkreis und bis nach Passau gebracht. Er ist fast von Anfang an dabei. Für die Wartezeiten hat er immer was zum Lesen im Auto. „Ich fahre sehr gern und kenne mich in der Gegend gut aus. Und ich unterhalte mich gern mit Leuten,“ sagt der Rentner. Seine Kollegin Iris Salewski wirft ein: „Darum weiß er auch alles.“ Alle lachen, einschließlich Josef Haberl. Er schätzt es, gebraucht zu werden, nicht nur für Fahrten, auch wenn im Sinne der Nachbarschaftshilfe „Elektrisches“ gefragt ist.
Neben Josef Haberl sitzt Hilde Boris, die seit sechs Jahren mit dabei ist. Sie kommt aus Schönau, von wo aus sie ihr Auto in sämtliche Richtungen steuert, oft sind Fahrten ins Krankenhaus nach Simbach am Inn gefragt, wie sie erzählt. „Ich rede gern, da vergeht die Zeit schnell,“ sagt sie mit einem Lachen. „Kurzfristig oder angekündigt, ich bin flexibel. Die Leute sind so dankbar, das freut mich gscheid.“ Und sie verrät, wie sie die Wartezeiten verbringt: mit Schafkopfen auf ihrem Tablet.
Hermine Feilen wirft stolz ein, wie gut sich die Nachbarschaftshelfer:innen in den Zeiten der Pandemie geschlagen haben: „Das war ganz schön anspruchsvoll. Die Fahrer und Fahrerinnen durften ja nicht mit in die Wartezimmer. Bei Hitze und Kälte mussten sie oft stundenlang draußen warten. In ein Café konnten sie ja auch nicht gehen.“ Und weiter erzählt sie von den „Fahrgemeinschaften“, die sich oft bilden, weil manche Leute immer die selben Fahrer oder Fahrerinnen haben wollen. Da kennt man sich schon, da ist man sich vertraut und fühlt sich sicher.
Maria Kudell nickt. Sie sitzt in ihrer feinen Bluse am Tisch und ist schon ein wenig stolz, die älteste Fahrerin in der Runde zu sein: Mit 88 Jahren traut sie sich durchaus noch Fahrten bis Pfarrkirchen und Eggenfelden zu, sie hängt Plakate auf und verteilt Flyer. „Ich werde gern gebraucht,“ begründet sie ihr Engagement. Und sie fügt hinzu: „Ich bleibe doch nicht daheim sitzen und warte aufs Sterben.“ Dabei lacht sie kein bisschen, es ist ihr ernst und darum nimmt sie auch schon mal vier Termine an nur einem Tag wahr.
Und da ist noch Iris Salewski, die selbst nur in Notfällen Fahrten übernimmt, aber einspringt, wenn Hermine Feilen bei der Koordination Unterstützung braucht. „Das ist schon Wahnsinn, was Hermine leistet,“ sagt sie voller Anerkennung. Gern macht sie auf die Nachbarschaftshilfe aufmerksam, schaut, dass immer wieder mal ein Artikel in der Zeitung erscheint, während Hermine Feilen den Überblick behält: Sämtliche Anrufe trudeln bei ihr ein, außer die Fahrer:innen haben ihrer treuen Kundschaft die Nummer gegeben. Alle am Tisch nutzen WhatsApp, außer Josef Haberl, der sich vehement weigert, andauernd auf sein Smartphone zu schauen.
Hermine Feilen selbst setzt sich nicht hinters Steuer, außer in Notfällen. Sie ist mit der Planung ausgelastet und beschränkt sich auf das, was sie gern macht und kann: „Ich war zeitlebens Sekräterin, Buchhalterin,“ sagt sie. Mit Iris Salewski und Maria Kudell ist sie Trägerin der Goldenen Ehrennadel, was man durchaus schon mal erwähnen kann. Der Einsatz der Rentner:innen bedeutet vielen Arnstorfer:innen große Unterstützung. Hermine Feilen: „Wer bei uns mitmachen will, ist herzlich Willkommen. Gute Leute können wir immer brauchen.“
Im Rahmen des Projekts „Ein Vereinsnetzwerk in und um Arnstorf“ des Förderprogramms “Engagiertes Land” der DSEE (Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt).