Hinten raus Richtung Schönau, rechts geht’s auf eine lange Kiesstraße, an deren Ende ein alter, denkmalgeschützter Hof steht. Das ist das Zuhause der Traditionellen Bogenschützen Arnstorf e.V. Auf der Gredbank sitzen der erste Vorstand Günter Zerak, der zweite Vorstand Dominik Hagn, Platzwart Edgar Bittl, Günther Gillmaier und Hans Hagn, den die anderen als Urgestein bezeichnen. Mit dabei ist auch Hund Tschortsch, der aufgeregt herumschwänzelt. Zum Reden bitten die Herren in die Stube, grundsolide ausgestattet. Der große Holztisch und die übrige Einrichtung zeigt sich ebenso traditionell wie die Bogenschützen es sind. An den Wänden hängen gerahmte Fotos, präparierte Tiere und Whiskey-Etiketten. Auf dem Tisch stehen gleich mehrere Schnupftabake.
„Ja, wir sind Genießer,“ stellt Günter Zerak fest und die anderen nicken. Flottes Schnapseln ist hier nicht gefragt. Neben dem eigenen Vereinszweck ist das Zusammensitzen ebenso fester Bestandteil der Traditionellen Bogenschützen. Jeden Mittwoch, Samstag und Sonntag trifft man sich in Ried zum Schießen. Die Ziele stehen gleich hinter dem westlichen Gebäudeflügel, der auch als Lager dient. Und danach setzt man sich im Winter in der Stube zusammen, im Sommer auch gern draußen ums Lagerfeuer.
Vom Murmeltier bis zum Hirschen
Hans Hagn erzählt gerne von den Anfängen vor 25 Jahren: „Da stand das zweite Mittelalterfest bevor und die Vereine waren aufgerufen, sich zu beteiligen. Ein Spezl hat mich gefragt, ob ich Lust hätte und wir kamen auf’s Bogenschießen. Ahnung hatten wir nicht viel davon, aber die Idee stand: Wir wollten selbst Bögen schnitzen und eine Zielscheibe aufstellen, pro Schuss eine Mark verlangen und abends das Geld verfeiern.“ Erwartet hatten die zwei Freunde 80 bis 100 Schuss. Am Ende des Tages waren es über 600. Die Idee kam an und gefeiert wurde am selben Abend nicht mehr – „Da waren wir platt.“
Zudem wollten sich viele Besucher nicht nur mit ein, zwei Schuss begnügen – die Nachfrage nach einem Verein war hoch. Nun begannen Hans und sein Kumpan nachzuforschen. „Wir haben Bögen und Pfeile selbst gebaut, einen Parcours in Tirol besichtigt. Davon waren wir völlig begeistert – das brauchten wir auch! Bis wir schnell feststellten: das ist ganz schön teuer.“ Was also tun? Ein Glück für die Neulinge, dass die Arnstorfer Bergschützen aufmerksam wurden, ihre finanzielle Unterstützung anboten und eine eigene Sparte unter ihren Fittichen dazu. So starteten die Traditionellen Bogenschützen im Jahr 1996 zunächst mit fünf Leuten bei den Bergschützen und schossen ihre Pfeile in der Halle.
Schnell kamen immer mehr Interessierte dazu, obendrein wurde das Schießen in der Halle zu fad. Der Hof in Ried mit seinem Gelände ringsherum präsentierte sich als idealer Ort, der Besitzer gab sein Ja und schon war das neue Zuhause gefunden. So kam eins zum anderen und im Jahr 2006 feierten die Traditionellen Bogenschützen ihre Unabhängigkeit bei der Gründung des eigenen Vereins. Gemeinsam mit dem Trachtenverein teilen sie sich den Stall als Lager. Dort gehen wir jetzt hin. Dicht an dicht und teils übereinander stehen die Ziele aus festem Kunststoffschaum neben den einstigen Stellplätzen. Tiere aller Art und Größe – vom Murmeltier bis zum Hirschen.
„Eine Philosophie für sich“
Daneben lehnen die zweidimensionalen Ziele, das Größte ganz eindeutig ein Mammut. „Die hat der Armin Frank bemalt. Sensationell, gell,“ sagt Günter Zerak. Ah – Armin Frank, Kulturblosn, Theater, alles klar! Und was hat’s mit dem Steinzeit-Pärchen auf sich? Wird das etwa auch beschossen? „Um Gottes Willen, nein!“ Günter Zerak schüttelt den Kopf. „Wir versuchen immer, unterschiedliche Szenen aufzubauen. Und da hatten wir eben mal das Mammut stehen, auf dem das Steinzeit-Pärchen saß und von der Seite wollte ein Säbelzahntiger angreifen.“ Den galt es also zu schießen, um die friedlichen Reiter zu retten. Humor haben sie also auch, die Traditionellen Bogenschützen.
Und was will eigentlich das „traditionell“ sagen? Günter Zerak hat die Antwort parat: „Wir schießen nicht mit Sportbögen, ohne Visier – kurz ohne technische Hilfsmittel. Die Bögen und Pfeile sind aus Holz.“ Die Männer zeigen ihre Bögen, die meisten sind echtes Handwerk von professionellen Bogenbauern nach dem Vorbild des englischen Langbogens. Jeder hat seinen eigenen Bogen, der in der Regel nicht aus der Hand gegeben wird. Auch die Pfeile sind selbstgemacht – klar, der Holzstab, die Spitze und auch die Federn sind gekauft. Wie aber jeder seinen Pfeil zusammensetzt, da sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Die Federn sind in jeder Farbe zu haben, können unterschiedlich zugeschnitten werden – manch einer bemalt seine Pfeile aufwändig. Freilich schade, wenn ganz sicher der ein oder andere Pfeil auf Nimmerwiedersehen verschossen wird…
„Es ist eine Philosophie für sich,“ fasst Dominik Hagn zusammen. Und noch mehr: Auch der Nachhaltigkeitsgedanke spielt eine wichtige Rolle für die Traditionellen Bogenschützen. „Verschossene Carbonpfeile sind nicht vergänglich und würden in der Natur eine Gefahr für Tiere darsteller,“ sagt Günter Zerak. Bei den nächsten Turnieren wird ein Eisbär als Ziel dienen, „um das Thema Klimawandel aufzunehmen.“
Gute Freundschaft mit den Bogenschützen Bad Birnbach
Inzwischen hat es zu nieseln angefangen, gutes englisches Wetter, das die Männer nicht aus der Ruhe bringt. Mit ihren Bögen visieren sie einen Tiger an, der zwischen den Büschen lauert. Fast lautlos zischen die Pfeile ab, manche treffen, manche nicht, wie es halt so ist. Nochmal und nochmal, dazwischen Lachen und Konzentration. Freilich kommt nicht jeder dreimal die Woche – und auch Corona hat Spuren im aktiven Vereinsleben hinterlassen. Als Sportstätte war den Traditionellen Bogenschützen lange untersagt, zu schießen. Und auch die geselligen Zusammenkünfte waren mal erlaubt, dann wieder nicht. Die wechselnden Auflagen haben für das Wegbleiben vieler gesorgt. Nun, da im Frühjahr alles wieder lockerer ist, hofft man auf ein gutes Jahr im Verein.
Gemeinsam zählen die Männer die jährlichen Aktivitäten auf: Das Frühjahrs- und das Herbstturnier, bei dem über hundert Starter zugegen sind, aus ganz Bayern und aus Wien, dem Bregenzer Wald, Tirol. Dann die Vereinsmeisterschaft, die Trainingsfahrt, das Brettl- und das Königsschießen und die gemeinsamen Schießen mit den befreundeten Bogenschützen Bad Birnbach. Dazu kommt das so genannte Clout-Turnier, das in mittelalterlicher Bekleidung absolviert wird. Apropos – beim Arnstorfer Mittelalterfest „Auf Heller und Barde“ sind die Traditionellen Bogenschützen natürlich nach wie vor dabei. Mittlerweile engagieren sich 30 bis 40 Leute aktiv und zeigen der Besucherschaft ihre Leidenschaft, lassen sie mitmachen.
Aktuell zählt der Verein über hundert Mitglieder, vom Baby bis zum Senior. 70 zu 30 schätzen die Anwesenden das Verhältnis der aktiven Männer und Frauen. Warum das so ist – Schulterzucken. Fest steht, dass sich beide Geschlechter nichts nehmen, da sind sie sich einig. Mittlerweile hat es sich eingeregnet. Die Gredbank steht gerade noch im Trockenen, rein in die Stube oder doch noch mal Schießen? Aus dem Inneren des Bauernhauses dringt Lachen und Reden, inzwischen haben sich noch mehr in der Stube versammelt. Vielleicht doch eher zum Genießen und Beisammensein anstatt zum Nasswerden. Tut auch Not nach so viel gesellschaftlicher Pause.
Im Rahmen des Projekts „Ein Vereinsnetzwerk in und um Arnstorf“ des Förderprogramms “Engagiertes Land” der DSEE (Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt).