Gudrun Richter Förtsch engagiert sich seit 2015 in einem ungebundenen Asylhelferkreis in Arnstorf. Was sie antreibt, was sie bislang erlebt hat und wie ihre Gedanken an die Zukunft sind, hat sie uns im Interview beantwortet:
Seit wann sind Sie in der Asylhilfe aktiv?
Als im Dezember 2015 die ersten Flüchtlinge ohne hinreichende Ankündigung („In den nächsten Tagen werden Ihnen Flüchtlinge zugeteilt!“) in Arnstorf ankamen, wurde eilig eine Kennenlern-Veranstaltung im Vereinsheim organisiert, denn aus den „nächsten Tagen“ wurde der Abend des gleichen Tages und plötzlich waren da mehrere Busse, die ihre menschliche Fracht in Arnstorf abluden und es gab keine ausreichenden Unterkünfte! Ich ging auch hin. So entstand ein ungebundener Helferkreis, der sich zum Ziel setzte, die Angekommenen als wichtigste Starhilfe mit der deutschen Sprach vertraut zu machen. Zum größen Teil waren es Lehrer und Lehrerinnen, die entweder bereits im Ruhestand waren oder kurz davor. Es handelte sich um etwa zehn bis 15 Personen. Ich war eine davon.
Haben Sie Mitstreiterinnen?
Streiten ist wohl das falsche Wort, aber ich verstehe, was Sie meinen. Zu Anfang waren es viele Arnstorfer aus allen Gemeindeteilen. In den Räumen der VHS im Unteren Schloss saßen manchmal bis zu 60 Flüchtlinge im Unterricht, der zweimal in der Woche am Dienstag- und Donnerstagvormittag stattfand. Nach und nach haben sich viele davon zurückgezogen. Zuletzt blieb nur ein „harter Kern“ von Mitbürgerinnen und Mitbürgern übrig, auf die ich mich bis heute verlassen kann. Dazu gehören mittlerweile auch einige „Neubürger“ aus den Ländern, aus denen sie geflüchtet waren. So kommt unsere Hilfe Stück für Stück zurück.
Wie sieht Ihre ehrenamtliche Tätigkeit konkret aus?
In den Jahren hat sich meine Tätigkeit immer wieder den erforderlichen Bedürfnissen angepasst. War es zuerst der Sprachunterricht, wurde bald Hilfe bei Behördengängen und beim Abschluss von Verträgen (Anträge bei Behörden, GZE oder Mietverträgen) und Hausaufgabenhilfe bzw. Homeschooling notwendig. Im Augenblick handelt es sich eher um Einzelbegleitung, z.B. begleite ich eine afghanische Familie. Der Familienvater hatte auf der Flucht einen Unfall und sitzt seit 2016 im Rollstuhl.
Was bewegt Sie dazu, sich zu engagieren?
Meine Eltern waren selbst Flüchtlinge aus Schlesien. Sie haben oft von erfahrener Hilfe oder auch von Ablehnung erzählt. So konnte ich mir gut vorstellen, wie es in den Angekommenen aussah, heimatlos, ohne Unterkunft und Sprachkenntnisse. Bis heute leitet mich auch mein christliches Weltbild. Gerade die Weihnachtserzählung steht für Fluchterfahrungen.
Wie sieht Ihr Engagement aktuell aus – Stichwort Ukrainekrieg?
Für die ukrainischen Flüchtlinge habe ich mich bisher in einem Ferienkurs für Kinder: „Deutsch sprechen und verstehen“ engagiert. Der weitere Einsatz wird von Frau Geigenberger von der Lindner-Stiftung geleistet. Aus gesundheitlichen Gründen muss ich seit einigen Monaten kürzer treten und kann nicht mehr so arbeiten, wie ich gerne würde.
Wie sehen Sie die Zukunft zum Thema Asyl?
Nach wie vor sehe ich vor allem die Hilfsbedürftigkeit der Menschen und ich sehe, dass unsere Gesellschaft noch eine große Aufgabe vor sich hat, die gelöst werden muss. Unsere Welt hat sich verändert und mit ihr unsere Gesellschaft. Nur wenn wir uns mit ihr verändern, können wir uns weiter entwickeln. Nicht durch Zurückschauen auf Vergangenes und durch Festhaltenwollen des Gewesenen gibt es Weiterentwicklung. Es bedarf steter Erinnerung an das Vergangene, verbunden mit dem vertrauensvollen Blick nach vorn, um die notwendigen Schritte ohne Angst vor den/dem Fremden und vor Überfremdung zu haben. Das ist meine Hoffnung für die Asylarbeit in den kommenden Jahren.
Im Rahmen des Projekts „Ein Vereinsnetzwerk in und um Arnstorf“ des Förderprogramms “Engagiertes Land” der DSEE (Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt).